orgelsel

Mit ihrem stattlichen barocken Prospekt, welcher sich vorzüglich in den mit Bildern an Decke und Emporen überreich geschmückten Kirchenraum einfügt, gibt der äußere Eindruck der Seligenthaler Orgel für den Betrachter zunächst keinen Aufschluss über ihr romantisches Innenleben.
So hat der Erbauer der jetzigen Orgel neben dem Prospekt aus dem Jahre 1750, welches Meister J C. Beck (Herrenbreitungen) zugeschrieben wird, auch auf den Pfeifenbestand des Vorgängerinstrumentes zurückgegriffen. Auch die Orgelmacher J. C. Rommel (Roßdort) und Holland (Schmiedefeld) veränderten in den Jahren 1780 und 1843 dem Stile der Zeit entsprechend und dem technischen Erhaltungszustand gemäß die Barockorgel, bis die Orgelbauerfamilie Peternell, die ihren Firmensitz in Seligenthal hatte, den gewachsenen Bestand unter Verwendung mehrerer Pfeifen, zweier Windladen und des Prospektes im Jahre 1873 zu einer repräsentativen Orgel mit 26 Registern auf 3 Manualen und Pedal neu erbaute.
Aufgrund dieser Übernahmen kann von einer ausgesprochen typischen Peternell-Orgel nur mit Einschränkungen die Rede sein. Dennoch atmet das Seligenthaler Instrument den Geist der romantischen Epoche und spiegelt damit eine Kunstauffassung wider, die das Überkommene respektierend, durchaus Eigenständiges und Wertvolles geschaffen hat.
Im Zuge eines gewandelten Zeitgeschmacks, der – heute betrachtet – sich allzu sehr am barocken Klangideal orientierte, baute im Jahre 1958 die Orgelbauwerkstätte R. Böhm (Gotha) das Instrument so um, dass der Klang der romantischen Peternell – Orgel nur noch zu erahnen war. Die politischen Umstände der "Wende" ermöglichten unter der Sachberatung von Dr. H. Haupt und K. Vogt die Restaurierung des wertvollen Instrumentes, die von der Firma Rösel & Hercher (Saalfeld) im Jahre 1998 durchgeführt wurde. Dabei konnten veränderte Registerzusammenstellungen rückgängig gemacht und gänzlich abhanden gekommene Register durch Rekonstruktion wiedergewonnen werden. Die Traktur wurde grundlegend denkmalgerecht überarbeitet, wobei sich die bautechnische Besonderheit zweier Hauptwerkswindladen und damit das Öffnen jeweils zweier Spielventile als Handicap herausstellte und für den Spieler nach wie vor mit einem enormen Kraftaufwand verbunden ist.
Die Bedeutung der Seligenthaler Orgel kann als Dokument ihrer Zeit, insbesondere als klingendes Exemplar der einstmals berühmten Orgelbaufirma der Gebrüder Peternell, zumal an deren Stammsitz, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Peternell galt nicht zu Unrecht als der ,,romantische Silbermann" Thüringens, der sich über seine klanglichen Ideale hinaus auch in orgelbautechnisches Neuland und an Experimente heranwagte, wovon an der Seligenthaler Orgel die Einrichtung des 3. Manuals als ,,Harmonium" mit Crescendo (als Tritt) Zeugnis ablegt. Weitreichende Verbindungen führten die Gebrüder Peternell zu Kontakten mit dem berühmten Orgelbautheoretiker J. G. Töpfer sowie mit dem mit Franz Liszt befreundeten Weimarer Kantor A. W. Gottschalg. Mit der amtlichen Abnahme der Orgel durch den Orgelprofessor Dr. W. Volckmar verbindet sich mit Seligenthal eine weitere Musikerpersönlichkeit, die die Bedeutung dieser Orgel im Kreis illustrer Namen unterstreicht.
Nach der am Ende des 20. Jahrhunderts abgeschlossenen Restaurierung möge die Bewertung dieses Instrumentes mit den Worten des ,,Königlichen Musikdirectors Prof. W. Volckmar" in seinem Abnahmegutachten vom 2. Juni 1873 wiederholt werden, der die “vortreffliche Intonation der Register, die eine mustergültige Stufenfolge von der größten Macht und Fülle bis zur äußersten Zartheit des Tones” rühmend hervorhebt.
(Text: Orgelsachverständiger der EKKW Klaus Vogt, Bad Orb)

Die originale Disposition der Firma Peternell war Grundlage der Restaurierung von 1998:

Originale Disposition

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Das erste Gutachten stammt von Professor Dr. Volckmar:

erstes Orgelgutachten

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