Schwierige Zeiten: Auszug aus der Chronik der Kirchengemeinde Seligenthal Kirchenkreis Schmalkalden vom Oktober 1933 bis zum Oktober 1934

11. Oktober 1933

Verfügung des Landeskirchenamts in Kassel: Pfarrer extr. Fritz Wüpper aus Kassel-B. wird mit der Versehung der Pfarrstelle Seligenthal Kreis Herrschaft Schmalkalden nach erfolgter Ordination beauftragt.

14. Oktober 1933

Ordination von 12 Pfarramtskandidaten in der Martinskirche von Kassel durch Kirchenrat D. Merzyn unter Assistenz von Predigerseminardirektor D.Dr.Neubauer und Pfarrer Junghans.

16. Oktober 1933

Mein Dienstantritt in Seligenthal beginnt mit einem viertägigen Urlaub, da ich meine Kusine Elisabeth Wüpper in Hann.Münden trauen sollte.

20. Oktober 1933

Morgens Fahrt nach Schmalkalden zu meinem Vorgänger im Amt, Pfarrer Döll. Äußerst freundliche Aufnahme. Im Gespräch erfahre ich viele Einzelheiten der beiden vakanten Pfarrstellen Seligenthal (lutherisch) und Floh (reformiert): Am Nachmittag: Busfahrt nach Asbach und von dort Fußmarsch bis Struth-Helmershof. Dort herrschte in Dorf und Kirche große Geschäftigkeit. Denn am 22.10.33 sollte hier das Kreisfrauenhilfsfest stattfinden. es wurden einige hundert Frauen aus dem ganzen Kriegsgebiet erwartet. Kirchenvorstand und Frauenhilfe wetteiferten miteinander, Kirche und Dorf festlich zu schmücken. Als ich ihnen als der neue Pfarrer vorgestellt wurde, war ihre Freude groß. Pfarrer Döll und ich wandern dann durchs ganze Kirchspiel. In Schnellbach kehren wir bei Kastenmeister Huhn ein; in Floh besuchen wir Hauptleherer Bachmann,der Organist und Kastenmeister zugleich ist. Überall werde ich als der neue Pfarrer freudig begrüßt. Diese Männer gefallen mir. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihnen.

Im Pfarrhaus zu Seligenthal endet unsere Reise. Dort wohnt Johanniterschwester Elisabeth Wackerbarth. Als sie mich herzlich willkommen heißt, kommt auch schon die erste Frage: “Sind Sie verlobt?” Ich weiß, warum sie diese Frage stellt und kann antworten: so gut wie. Damit ist sie zufrieden. Aber schon fragt sie weiter: “Sie bleiben doch hier? Wir haben für Sie ein Wohn- und Schlafzimmer eingerichtet. Was soll ich tun? Eigentlich hatte mir Pfarrer Döll angeboten, vorerst bei ihnen in Schmalkalden zu wohnen. Aber soll ich die Seligenthäler enttäuschen? Und so sage ich zu, am anderen Tage ins Pfarrhaus zu ziehen.

21. Oktober 1933

Einzug ins Pfarrhaus von Seligenthal

22. Oktober 1933

Heute beginnt mein Dienst in der neuen Gemeinde. Um 9.30 Uhr halte ich den ersten Gottesdienst in der schönen großen Kirche von Seligenthal. Sie ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Mit großer Freudigkeit bezeuge ich den vielen Gemeindegliedern, daß Jesus Christus, der gekreuzigte und auf erstandene Herr, auch unser Heiland sein will. Ich spüre, wie mit das Wort abgenommen wird. Darüber bin ich froh und dankbar.

Um 11 Uhr beginnt der Gottesdienst in Schnellbach. Auch hier ist das Gotteshaus voll besetzt. Beim Kastenmeister Huhn bin ich zum Mittagessen eingeladen. Ich habe nur wenig Zeit, denn um 13 Uhr beginnt in der Struther Kirche das Kreisfrauenhilfsfest. Ich habe das Grußwort zu sprechen. Es sind sehr viele Frauen aus dem ganzen Kreisgebiet gekommen. Sie suchen Gemeinschaft und wollen sich Kraft holen für den Kampf in den Gemeinden. Darum ist mein Grußwort ein Aufruf, diesen Zusammenhalt in der Kirche zu suchen und sich die Kraft aus dem Glauben an den Herrn Christus schenken zu lassen.

Nach meiner Ansprache muß ich die Versammlung sofort verlassen, weil in Seligenthal 5 Täuflinge auf mich warten. In der Kirche von Seligenthal hat Frau Wick, die Hebamme, alles vorbereitet. Von ihr erfahre ich auch, wie die Taufhandlung in Seligenthal vorgenommen wird.

Als ich am Abend Rückschau halte auf die Ereignisse des Tages, kann ich Gott nur von ganzem Herzen danken für die gute Aufnahme, die mein Dienst gefunden hat.

23. Oktober 1933

Der Alltag beginnt. Um die Arbeit in den Griff zu bekommen, muß ich mir einen Plan machen. Denn zu den beiden Kirchspielen Seligenthal und Floh gehören die Dörfer: Seligenthal, Atzerode, Hohleborn, Reichenbach, Floh, Schnelllbach mit Nesselhof und Struth-Helmershof. In diesen Dörfern gehören die Lutheraner zur lutherischen Pfarrei Seligenthal und die Reformierten zur Pfarrei Floh. Die Einwohnerzahl in diesen Dörfern betrug ca. 6000. In vier Dörfern befand sich je eine Kirche, in denen jeden Sonntag Gottesdienste zu halten waren. Da mir die Schmalkalder Pfarrer für diese Gottesdienste Hilfe zugesagt hatten, konnte jeden Sonntag Gottesdienst gehalten werden. In den Kirchdörfern bestanden Frauenhilfen. In Seligenthal und Floh werden die Frauenhilfen geleitet von je einer Vorsitzenden- in Seligenthal von Frau Rektor Schlag, in Floh von Frau Peter, der Gattin eines Möbelfabrikanten. Beide hielten die Frauenstunden recht selbständig. Versammlungsort der Frauen waren die Schulen, da kirchliche Räume nicht vorhanden waren.

27. November 1933

Kreispfarrer Bernhard aus Fambach überträgt mir vor den versammelten Kirchenvorständen die Verwaltung der beiden Pfarrstellen Seligenthal und Floh. Pfarrer Döll, mein Vorgänger im Amt in Seligenthl, war bisher für beide Pfarrstellen Spezialvikar.

Die Frauenarbeit in allen Gemeinden ging zügig voran. Dabei habe ich erfahren, wie gut es für einen Pfarrer ist, wenn er die Frauen der Gemeinde sammelt. Er kann ihnen Aufgaben geben. Und ich habe erlebt, mit welchem Engagement die Frauen die Arbeit angefaßt und durchgeführt haben. So war es kein Wunder, daß die Mitgliederzahlen in den Frauenhilfen stiegen. Beängstigend für die Ortsgruppenleiter der NSDAP!

28. November 1933

Ich erhalte vom Landeskirchenamt in Kassel die Verfügung, daß ich von Mitte Dezember an nach Oberschönau bei Steinbach-Hallenberg versetzt würde. Was war geschehen? In Oberschönau hatte der Stelleninhaber, Pfarrer Fritz Frey, seine Bußtagspredigt mit dem Satz begonnen: “Tolles Volk, was willst du in der Kirche!…………..

Während die Unterschönauer Kirchenbesucher diesen Satz ruhig hingenommen hatten, waren die Oberschönauer schockiert. Das wollten sie sich nicht bieten lassen. Pfarrer Frey bekam solche Schwierigkeiten, daß das Landeskirchenamt ihn in einer Gemeinde des Hanauer Landes versetzte. Und nun sollte ich seine Stelle einnehmen.

Die Nachricht von meiner Versetzung ging wie ein Lauffeuer durch alle Gemeinden. Der Widerstand formierte sich. Die Kirchenvorstände kamen unter Leitung von Pfarrer Döll zusammen und berieten, was zu tun sei. Nach einigem Hin und Her einigte man sich darauf, daß eine Abordnung unter der Leitung von Pfarrer Döll nach Kassel fahren sollte, um mit der Einstweiligen Kirchenleitung zu verhandeln. Man wollte erreichen, daß ich in Seligenthal bleiben sollte. Als die Abordnung aus Kassel zurückkehrte, brachte sie die Nachricht mit, daß der Leiter der Einstweiligen Kirchenleitung, Kirchenrat D. Merzyn, meine Versetzung nach Oberschönau rückgängig machen würde. Über diesen Ausgang der Verhandlung herrschte große Freude in den Dörfern des Kirchspiels. Immer wieder wurde mir gesagt: “Jetzt dürfen Sie sich aber auch nicht wegmelden.”

3. Dezember 1933

Schon nach anderthalb Monaten meiner Arbeit in den Dörfern der Kirchspiele bekomme ich die Gegenseite zu spüren. Als ich am Abend des 3.12. in die alte Schule von Struth-Helmershof komme, um die Gruppenstunde der Frauenhilfe zu halten, haben sich in einem Nebenraum viele SA-Leute versammelt. Kaum habe ich die Gruppenstunde begonnen, als Bürgermeister und Ortsgruppenleiter in SA-Uniform erscheint und den Frauen erklärt: Er habe einen anonymen Brief erhalten, in dem die NS-Frauenschaft angegriffen und beleidigt würde. Da er vermute, daß der Schreiber des Schmähbriefes in den Reihen der Frauenhilfe zu suchen sei, wäre er gekommen, um eine Schriftprobe der Frauen vorzunehmen. Er hatte Papier und Bleistifte mitgebracht, die ich an die Frauen austeilte. Als ich einen Text diktiert hatte, wollte der Bürgermeister die Zettel einsammeln. Doch das nahm ich ihm ab und erklärte: Den Vergleich der Schriftproben würde ich durchführen. Der Bürgermeister ist damit einverstanden. Er sagt dann aber noch; In der Frauenhilfe ist ein geschlossener Wille gegen das Winterhilfswerk und besonders gegen den Nationalsozialismus. Ich bestritt diese Annahme und sagte: Mein Eindruck von der Frauenhilfe in Struth sei besonders gut. Natürlich mußte der Bürgermeister gegen die Frauenhilfe sein, weil ihr Wachsen ein Zustandekommen der NS-Frauenschaft sehr erschwerte.

Als der Bürgermeister gegangen war, fragte ich die Frauen; “Wer will eine Frauenhilfsbrosche bestellen?” Spontan meldeten sich 60 Frauen, obwohl ich darauf hinwies, daß das Tragen der Brosche nicht nur ein Bekenntnis zur Frauenhilfe, sondern ein Bekenntnis zur Kirche, ja zu Christus selbst sei. Ich habe mich über das Zusammenstehen der Frauen sehr gefreut und war dankbar.

In der Adventszeit wurden die Gruppenstunden in den Frauenhilfen besonders gestaltet. Wir lernten manches neue Lied und viele Kanone. Als ich in Struth mit dem Einüben eines Kanons beginnen wollte, riefen die meist älteren Frauen: “Wir können doch keine Noten!” Ich antwortete: “Das ist auch nicht nötig. Sie müssen nur auf meine Hand sehen. Die gibt Ihnen die Höhe der Töne an.” So habe ich mit den Frauen viele neue Lieder und Kanons eingeübt. Und sie wurden mit Freuden gesungen.

23. Dezember 1933

An diesem Tage kann ich meiner Braut berichten: “Der Kampf in Struth ist ziemlich beigelegt. Der Bürgermeister ist wie umgewandelt.” Wie bin ich Gott dankbar!

Auch in Seligenthal und Schnellbach stiegen die Besucherzahlen der Frauenstunden. Darüber waren die Bürgermeister und Ortsgruppenleiter sehr ärgerlich. Über die Treue und Unerschrockenheit der Frauen war ich immer wieder erfreut. In Seligenthal stand mir ein Leitungsteam zur Seite: Frau Rektor Schlag, Johanniterschwester Elisabeth Wackerbarth, die Gattin des Hauptlehrers Pflüger und die Lehrerin Beum. Diese bereiteten die Gruppenstunden sehr sorgfältig vor, so daß ich mich um keine Äußerlichkeiten zu kümmern brauchte. In Schnellbach hatte diese Aufgabe Frau E.Büchner übernommen und vorbildlich durchgeführt.

In den vorweihnachtlichen Tagen hatte ich nicht nur viel Kampf. Ich erlebte noch viel mehr Freude. In Schnellbach überraschte mich der Nikolaus mit einem Korbe mit Eßbarem; in Seligenthal schenkten mir die Fauen einen Weihnachtsbaum, andem viel nützliche Sachen hingen. Der Jungmädchenkreis, den ich auch leitete, überreichte mit mit einem Gedicht eine Brotbüchse. Als ich mir kurz vor Weihnachten eine kaufen wollte, riet mir meine Haushilfe, Frau Kühn davon ab mit den Worten, es gäbe sicher noch Dringenderes. Ich verstand den Wink und unterließ den Kauf.

Ich halte bei der Weihnachtsfeier der NS-Frauenschaft in Seligenthal die Festansprache.

24. Dezember 1933

Am Nachmittag halte ich bei der Hilterjugend und dem Bund deutscher Mädchen die Weihnachtsfeier im Walde.

25. Dezember 1933

Für den 1.Christfeiertag hatte ich die Gemeindeglieder von Seligenthal zu einer Lichterkirche um 7 Uhr eingeladen. Das war neu. Meine bange Frage war: Wer wird kommen? Daß Frauenhilfe und Jungmädchenkreis stark vertreten sein würden, wußte ich. Aber die anderen?! In den vorweihnachtlichen Tagen habe ich viel gebetet. Als ich am 1. Christfeiertag kurz vor 7 Uhr in die Kirche kam, war sie bis auf den letzten Platz besetzt und glich einem Lichtermeer. Weil dieser Gottesdienst so sehr angesprochen hatte, soll er für das Christfest 1934 beibehalten werden.

Am Sonntag, dem 3. Advent, erscheinen gegen Abend eine Anzahl Konfirmanden in meinem Haus und bitten: ich möchte morgen mit ihnen eine Pferdeschlittenfahrt zum Vierpfennighaus machen. Als ich fragte: “Habt Ihr denn keine Schule?” antworteten sie: “ Das Schulfrei müssen Sie uns bei unserem Lehrer holen.” Und schon hatten sie mich auf ihren Schlitten gesetzt und mit Hallo fuhren sie mich zu ihrem Lehrer. Der war einverstanden unter der Bedingung, daß er und seien Frau mitfahren dürften. Das war selbstverständlich. Ein Pferdeschlitten war schnell beschafft. Ein Erntewagen wurde mit Kufen versehen und so zum Schlitten umfunktioniert. Über Floh, Schnellbach und Nesselhof führen wir Richtung Tambach-Dietharz zum Vierpfennighaus, einem Waldgasthaus. Es war eine wundervolle Fahrt durch den herrlich verschneiten Wald. Im Gasthaus wärmten wir uns auf und erlebten dort eine Wildfütterung mit. Das war eine große Sache, wenn im Laufe des Nachmittags über 40 Stück Dam- und Rotwild erschienen. Über Spieß- und Heuberghaus fuhren wir dann nach Seligenthal zurück, wo uns die Eltern der Konfirmanden schon sehnsüchtig erwarteten.

1934

Jugendarbeit

In den beiden Kirchspielen Seligenthal und Floh fand ich nur in Seligenthal einen Jungmädchenkreis vor. Ich habe die Leitung dieses Kreises übernommen und konnte erleben, daß die Besucherzahl immer mehr anstieg. Es waren fast 100 junge Mädchen, die sich zum Kreis gemeldet hatten. Die Gruppenstunden waren immer sehr gut besucht.

In den ersten Tagen des neuen Jahres kam eine BdM-Führerin zu mir und bat mich, die Mädchen des Jugendkreises einzuladen, den neu zu gründenden BdM beizutreten. Ich sagte ihr, daß wir warten wollten, bis die anstehende Eingliederung der evangelischen Jugend in die Hilterjugend vollzogen sei. Sie war damit einverstanden.

15. Januar 1934

Meine Eltern kommen zu Besuch. Sie wollen die Wirkungsstätte ihres Sohnes kennenlernen.

Am Donnerstag, dem Januar fühle ich mich nicht wohl. Ich will zu Hause bleiben. Aber eine innere Stimme sagt mir: “Das darfst Du nicht.” Also radle ich gegen 19 Uhr nach Schnellbach. Als ich in der Schule die Tür zu dem Klassenraum öffne, in dem die Frauenhilfe tagt, ist er überfüllt. Wir haben Besuch von der Frauenhilfe aus Asbach. Über 30 Frauen haben den weg über den Berg nach Schnellbach nicht gescheut, um im Kreise Gleichgesinnter sich Kraft, Mut und Freudigkeit für ihren Kampf in ihrer Gemeinde zu holen. Als sie fortgingen , riefen sie:”Wir kommen wieder!” Ich halte es für eine gute Sache, wenn in Krisenzeiten die Christen sich gegenseitig besuchen und stärken.

30. Januar 1934

An diesem Tag – dem Jahrestag der Machtergreifung durch Adolf Hitler, sind in den Gemeinden Dankgottesdienste angesetzt. Um 17 Uhr begann ich in Struth; 18.30 Uhr in Floh; 20 Uhr in Seligenthal. Überall waren die Kirchen bis auf den letzten Platz gefüllt. Als Predigtext nahm ich das Wort Jesu Lukas 17,10: Wenn Ihr alles getan habt…

An diesem Worte habe ich aufgezeigt, daß nach dem Willen Jesu unser ganzes Leben Dienst sein soll und zwar Dienst ohne Erwartung von Anerkennung. Dieser Dienst ist darum kein Suchen nach Beifall oder Haschen nach Erfolg, sondern ist ein Dienst, den man tun darf als ein lebensfroher und tapferer Mensch. Damit ist aber auch der Gedanke zurückgewiesen, den man so oft hören kann: Ich tue meine Pflicht. Hinter dieser Anschauung steckt so wenig Lebensschwung. Diese Pflicht ist wie ein dürrer magerer Klepper, der mürrisch seinen Weg dahin trottet und immer wieder mit Peitschenhieben angetrieben werden muß. Wir brauchen aber Menschen, die mit Freudigkeit ihren Dienst tun an der Stelle, an die sie Gott im Leben gestellt hat.

in der letzten Januarwoche des Jahres 1934 fand ein Treffen der NS-Frauenschaft und der Frauenhilfe in Seligenthal statt. Es stand unter dem Thema: “Die Bedeutung der Frau als Mutter im Volksleben.” Ich heilt über dieses Thema ein Referat und Frau Rektor Schlag hatte in feinsinniger Weise Lieder und Gedichte ausgewählt, die sich um das Thema des Abends rankten.

4. Februar 1934

Ich halte in der NS-Frauenschaft einen Vortrag über das Thema “Erziehung”. Man versucht mit allen Mitteln, mich in die Arbeit der NS-Frauenschaft hineinzuziehen.

13.Februar 1934

Ich erhalte einen Brief des Ortsgruppenleiters der NSDAP und Bürgermeisters Möller, Anlaß des Briefes war eine Bemerkung von Frau Pfannstiel, einer ganz treuen Frauenhilfsfrau, zu einigen Frauen aus Reichenbach, die auf dem Wege zu einer Zusammenkunft der NS. Frauenschaft Seligenthal waren: Seid ihr auch schon aufgewedelt? Diese Bemerkung hält der Bürgermeister für eine Beleidigung der NS-Frauenschaft. Er droht mit Meldung an seine vorgesetzte Behörde, ja sogar mit Auflösung de Frauenhilfe. Im Vollgefühl seiner Macht will er mir vorschreiben, was ich zu predigen und zu sagen hätte. Dieser Brief brachte das ganze Dorf in Aufregung. Viele Gemeindeglieder, die sich sonst sehr zurückgehalten hatten, bezeugten mir ihre Sympathie. Ich habe mit vielen kirchlichen und staatlichen und kirchlichen Stellen telefoniert. Überall erhielt ich die Antwort: Der Bürgermeister kann die Frauenhilfe nicht auflösen. der Ermächtigungsparagraph, auf den sich der Bürgermeister berief, war gegen die Kommunisten gerichtet. Jedes Mal wenn ich ihm die Nachricht brachte, er hätte ungesetzlich gehandelt, war seine stereotype Antwort: Was wollen Sie. Wir haben die Macht. Uns allen beschlich eine geheime Angst. Was kann daraus werden?!

Mitte Februar 1934 schließt die evangelische Jugend mit der Hilterjugend (gezwungen, nicht freiwillig) den sogenannten Eingliederungsvertrag. Danach werden alle Jugendgruppen in die Gliederungen der Hilterjugend (HJ und BdM) überführt. Auch in Seligenthal muß ich den Jungmädchenkreis eingliedern lassen. Trotz des Vertrages bleiben die Mädchen zusammen. Nun nicht mehr unter dem Namen Jungmädchenkreis sondern mit dem neuen Namen ”Bibelschar”. Außerdem richte ich – nach Geschlechtern getrennt – Gemeindejugendabende ein, an denen sich in der ersten Zeit auch Jungen und Mädchen aus der HJ und BdM beteiligten. Denn die Kirche kann auf die Jugend nicht verzichten…

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